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Kurtheater Baden
Instandsetzung, Umbau und Erweiterung

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WEITERBAUEN - ÜBERFORMEN – RESTAURIEREN
Elisabeth & Martin Boesch Architekten BSA, Zürich



Das Kurtheater in Baden bei Zürich ist ein Gastspielhaus, dessen Geschichte lange zurück reicht. 1675 wurde in Baden der erste Theatersaal der Schweiz erbaut. Der Bau am heutigen Standort im Kurpark  entstand 1952 und dient renommierten Bühnen aus dem In- und Ausland als Gastspielort. Das Kurtheater ist das grösste Theater im Kanton Aargau mit vollständiger Infrastruktur eines Dreispartenhauses. Der Zuschauerraum bietet rund 600 Sitzplätze. Mit dem Umbau, der Sanierung und der Erweiterung des Kurtheaters wird der Theaterbetrieb auf hohem Niveau für die nächsten Jahrzehnte sichergestellt.

Das heute denkmalgeschützte Kurtheater Baden wurde 1952 als erstes Schweizer Theater der Nachkriegszeit eröffnet (Architekten Lisbeth Sachs / Otto Dorer). Es begeisterte durch raffinierte Wegführung und Raumbildung, sinnliche Materialisierung und nicht zuletzt die differenzierte Beziehung zum Kurpark. Doch schon nach wenigen Jahren wurde die erste einer ganzen Reihe von teils einschneidenden Erweiterungen vorgenommen. 1976 wurde das ursprünglich als Sommertheater gebaute Haus dem Ganzjahresbetrieb angepasst.   

30 Jahre später sollte das Kurtheater erneut umgebaut und erweitert werden, dies aufgrund der mittlerweile stark sanierungsbedürftigen Bausubstanz, schlechter bauphysikalischer Verhältnisse, unzeitgemässer Haustechnikinstallationen, mangelhaftem Brandschutz, ungenügender Erbebensicherheit, begrenzter Behindertengängigkeit, zu enger Platzverhältnisse in den Foyers sowie fehlender Hinterbühne und Betriebsräume. Damit und mit den zusätzlichen Raumbedürfnissen (ca. 50% mehr Fläche) lief der Bau allerdings Gefahr, sein ursprünglich fein austariertes Gleichgewicht zu verlieren. Den 2007 ausgelobten Wettbewerb gewann das Projekt „équilibre“ der Zürcher Architekten Elisabeth und Martin Boesch. Aus denkmalpflegerischen Gründen musste das Projekt, welches das bestehende und das neue Foyer in einem einzigen zusammenfasste, überarbeitet werden. Dies führte zur Trennung der beiden Foyers.

Zu Recht verweist die Denkmalpflege auf die Einzigartigkeit des „Sachs-Foyer“ genannten verglasten Foyers von 1952. Erst die ebenso grossartige Bewegungsführung von der Strasse zum Eingang durch die Garderobenhalle über die Treppe zum Sachs-Foyer und weiter in den Theaterraum bringt es zur Wirkung. Diese sowohl richtige und gleichzeitig enge Sicht auf das Baudenkmal weiten Boesch Architekten aus, indem sie es gesamtheitlich wahrnehmen und bewerten. Zum Theater gehören nicht nur die erwähnten repräsentativen Publikumsbereiche, sondern auch die mehr betrieblichen und technischen wie die Hinterbühne, Künstlergarderoben, Administration und Proberaum. Dass der mengenmässig grosse Theater- und Backstagebereich in seinem Äussern bescheidener auftritt als die Foyers, darf nicht dazu verleiten, ihn als minderwertig zu betrachten. Erst die Differenz, die Ungleichheit der Hauptbereiche, macht das Gleichgewicht spannungsvoll. So ist es nur folgerichtig, dass sich das architektonische Konzept am Bestehenden orientiert und das Alte den Ton angibt für ein interpretierendes Weiterbauen, räumlich und materiell, gestalterisch und atmosphärisch. Dementsprechend sind die Strategien für den Umgang mit dem Bestand von Fall zu Fall anders. Das Weiterbauen am Bereich Hinterbühne mit den gestalterischen und konstruktiven Mitteln des Bestands ist dabei genauso Thema wie das Überformen des Foyers aus den 60er Jahren mit neuen Mitteln und das fachkundige, detailgetreue Restaurieren des Sachs-Foyers von 1952.

So reflektiert das Erweiterungsprojekt die äussere Gestalt wie die inneren Anlagen. Es nimmt die einzigartige Weg- / Raumfigur ernst, nimmt die in diesem lichten Raum und seinen Treppenverbindungen angelegte Idee einer inneren Landschaft auf und spielt sie mit dem neuen Foyer weiter. Die spezifischen Qualitäten des bestehenden Hauses bezüglich Wegführung, Raumbildung, architektonischem Ausdruck, Materialisierung und nicht zuletzt die differenzierte Beziehung zum Kurpark werden wo nötig geschärft, weiterentwickelt und das Theater in seiner Ganzheit in ein neues Gleichgewicht überführt.

In dem als Neubau erscheinenden Foyer an der Parkstrasse stecken die „Knochen“ eines Foyer-Anbaus von 1965. Ein ursprünglich aussenliegender, umlaufender Pflanzentrog wird zur innen umlaufenden Sitzbank, die gleichzeitig den Lüftungskanal aufnimmt. Mit der Überformung der ursprünglich schlanken Betonstützen wird das vormals bedingt stabile Gebilde zu einem stabilen „Tisch“. Mit der Thematisierung der Form der Stützen und der Gestaltung der Decken wird – mit allen Unterschieden - die Verwandtschaft von Eingangsgeschoss und Foyergeschoss erlebbar gemacht.

Dem Wachsen des Foyerbereichs steht das Wachsen des Bühnenhauses und des Backstagebereiches gegenüber. Sein neues Treppenhaus liegt an der Nahtstelle von Bestand und Neubau. Die längs der Treppe sichtbar belassene ehemalige Aussenwand erklärt die Lage. Mit der Übernahme des Gebäudeprofiles des Bühnenhauses in den neuen Backstagebereich entstehen Zwänge. Der Proberaum unter dem Dach, der Bürobereich, aber auch das Treppenhaus verdanken ihre Unverwechselbarkeit genau diesem Formzwang. Der Treppenraum wird dadurch zu einer inneren Landschaft; auf jedem der sechs Geschoss weiss man, auf welchem man sich befindet.

Von aussen betrachtet unterscheiden sich im Backstagebereich alt und neu auf den ersten Blick nicht. Man muss vielmehr wissen, dass es hier ein vorher und ein nachher gibt, um die Veränderung zu entschlüsseln.
Die Ablesbarkeit von alt und neu, ein klassisches Dogma, welches in einzelnen Fällen auch sinnvoll sein mag, ist hier nicht gegeben. Vielmehr ist hier die Nicht-Ablesbarkeit einer der strategischen Entscheide, um das Gleichgewicht der Hauptteile zu sichern.
Im Ganzen wird die Sichtbarkeit der zum Teil massiven Eingriffe nicht als Prinzip gehandhabt. Die Frage ob unsichtbar oder sichtbar und falls, wie sichtbar, wird, wiederum von Fall zu Fall, im Rahmen des Gesamtkonzeptes beantwortet.

Im Innern erinnert viel Neues an Ähnliches im Bestand. Das Neue ist in allen Bereichen gleich liebevoll gestaltet und ausgeführt, jedoch wird die Tonlage dem Ort angemessen - Publikums- bzw. Theater- und Backstagebereich - unterschieden.

Zusammenfassend: das vor der Erweiterung durch Umbauten in mehreren Haupt- und Nebenbauten zergliederte Raumprogramm wird neu in einem kompakten erweiterten Baukörper zusammengefasst. Das Bild bleibt - innen wie aussen - vertraut. Zugleich gewinnt es - dem Ort und seiner Bedeutung angemessen – städtebaulich Gewicht und Präsenz. Neu nimmt das Zyklopenauge des zuoberst im erweiterten Bühnenturm angelegten Proberaumes die Beziehung zur Landschaft jenseits der Limmat auf.


 

Kurtheater Baden, Umbau und Erweiterung
Parkstrasse 20, 5400 Baden (AG) 

 
Bauherrschaft
Theaterstiftung der Region Baden Wettingen, vertreten durch die Stadt Baden


Bauherrenvertretung
Adrian Humbel, Conarenco, Zürich


Architektur
Elisabeth & Martin Boesch Architekten, Zürich

Kernteam:
Silvio Albin, Nils Krämer, Silvio Schubiger, Stéphanie Morel, Fabian Roth, Johanna Hofmeister, Elias Vollmeier, Gaia Pelizzari, Ivo Raffi, Thijs ten Brummelhuis


Projektmanagement
Hämmerle Partner, Zürich


Kostenplanung, Bauleitung
Jaeger Baumanagement, Zürich


Tragwerk
WaltGalmarini, Zürich


Landschaft
Hager Partner, Zürich


Fachplanung, Spezialisten
HLKS-Planung: Gruenberg + Partner, Zürich
Elektroplanung:
HKG Engineering, Schlieren
Bühnenplanung:
Planungsgruppe, Niederönz
Brandschutz:
Basler & Hofmann, Zürich
Bauphysik:
BWS, Winterthur
Raumakustik:
applied acoustics, Gelterkinden
Signaletik:
Bivgrafik, Zürich


Bausumme total (inkl. MWSt.)
CHF 34’5 Mio (Ausführungskredit BKP 1 - 9)


Gebäudevolumen SIA 416
21‘500 m³ total,

davon Neubau ca. 8‘700 m³


Geschossfläche SIA 416
5‘500 m² total,

davon Neubau ca. 2‘200 m² 

 
Chronologie
Wettbewerb 2007, Baukredit 2013,

Baubeginn 2018, Bezug 2020

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